Hunde-Menschen und Menschens Hunde
- patriciahummen
- 9. Apr. 2021
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Mai 2021
Ja ja, der Hund wird immer mehr zum Familienmitglied und nicht mehr ausschließlich als Nutztier betrachtet. Das hat viele Vorteile - sowohl für den Menschen als auch den Hund.
Aber schauen wir uns noch mal kurz die Entwicklung vom Nutztier zum Famlienmitglied an. Die meistens früheren Hunderassen wurden für einen bestimmten Zweck gezüchtet: sei es um den Hof zu bewachen, die Herde zu beschützten oder zu hüten, als Unterstützung bei der Jagd. Zudem kamen noch spezifische Merkmale, je nachdem wo der Lebensraum des Hundes war. Eine Spezialisierung auf Handtaschenhund war dabei nicht vorgesehen. Vielmehr ging es darum, den Hund entsprechend seiner Aufgabe zu züchten und dass er körperlich lange gesund ist. Tiere, die aufgrund ihrer "Genetik" zu wenig Luft zum Atmen bekommen, sind daher eigentlich unbrauchbar.
Im Laufe der Zeit hat sich der Status des Hundes immer mehr gewandelt und wurde dabei leider auch viel zu oft zum Statussymbol. Die Hunde werden häufig nicht mehr danach ausgesucht, welche Aufgaben sie erfüllen sollen, sondern ob sie chic sind. Leider gerät dabei infolge dessen auch viel zu oft in Vergessenheit, dass auch die "chicen" Hunde ursprünglich eine Aufgabe erfüllen sollten. Und auch bei den Rassen, die bewusst aus verschiedenen anderen Rassen gekreuzt wurden, ist dies immer noch der Fall. Viele Hunde sind einfach nicht dafür gemacht, auf dem Couch den Bauch gekrault zu bekommen oder mal bei schönem Wetter in Park präsentiert zu werden. Nein - sie wollen etwas tun, zu dem sie ursprünglich gezüchtet wurden. Denn die Genetik ist viel tiefer verwurzelt, als irgendein Schönheitswahn.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn der so bezaubernde Aussie plötzlich anfängt die Kinder zu hüten und in die Waden zwickt, wenn der Dackel die Kanninchen der Kinder zum fressen gern hat oder wenn der Hovawarth plötzlich den Besuch nicht mehr gehen lassen möchte. Schlimmstenfalls wird der Hund dann ausgetauscht, weil er ja "plötzlich" aggressiv ist. Aus menschlicher Sicht teilweise verständlich, aus hundesicht völlig unverständlich. Denn dieses Fehlverhalten tritt niemals plötzlich auf. Es gibt in den allermeisten Fällen bereits viele, kleine Anzeichen. Leider können und wollen viele Menschen diese nicht sehen. Aber dies ist ein anderes Thema. Zurück zu den vierbeinigen Familienmitgliedern.
Ich gehöre selbst zu denjenigen, die die Tiere zur Familie zählen. Ja, ich bin auch manchmal etwas verrückt und bemuttere sie zu sehr. Aber dennoch bin ich mir zu fast jeder Zeit bewusst, dass meine Tiere keine Menschen sind. Ich weiß, dass ich mir jedes Tier sehr bewusst ausgesucht habe und ich mich im Vorfeld sehr ausgiebig mit den Gewohnheiten und Besonderheiten auseinander gesetzt habe. Da ich Besitzerin eines Jagdhundes bin, bin ich mir auch sehr bewusst darüber, dass er jagdlich ambitioniert ist. Da dieses Verhalten aber nicht immer mit den erwünschten Verhalten der Menschen einhergeht, muss ich halt Alternativen finden, die der Vorliebe meines Hundes ebenso befriedigt. Mein Hund ist kein Mode-Accessoire, sondern er darf sich auch mal schmutzig machen, an komischen Sachen riechen oder mal nach Mäuschen buddeln. Und er darf auch mal gemeinsam mit mir (am Fahrrad an der Leine) einem Fasan hinterherjagen.
Hunde sollten zu den Gewohnheiten und Lebensumständen der Meschen passen. Ein eher ruhiger Mensch, der nicht gerne viel draußen aktiv ist, sondern lieber in der Wohnung hockt, tut sich mit einem Windhund oder ähnlichem eher keinen gefallen. Und dem Hund auch nicht. Umgekehrt genauso. Jemand der gerne mit dem Hund gemeinsam ausgiebig joggen gehen möchte, ist mit einer französischen Bulldogge eher schlecht beraten - auch wenn sie farblich zu seinen Lauf-Outfit passen würde.
Aber ganz egal, welcher Hund es werden soll. Es sind Lebewesen und keine Kuscheltiere. Ja, natürlich lieben es viele ausgiebig gekrault zu werden. Aber genauso gerne mögen es viele Hunde ausgiebig und regelmäßig (nicht nur am Wochenende) spazieren zu gehen, neue Dinge zu lernen, ihre Nase gezielt einzusetzten, etc. Es gibt so unfassbar viele Möglichkeiten. Nutzt sie.
Es ist viel zu schade das Potential der Hunde nicht zu nutzen und sie nicht geistig und körperlich zu fordern und zu fördern. Denn genauso wie bei uns Menschen, können diese Fähigkeiten mit der Zeit verloren gehen, wenn man sie nicht regelmäßig nutzt. Es müssen ja auch nicht immer die aufwendigen Übungen oder Trails sein. Der Hund kann ja auch einfach ein paar aufgaben im Haushalt übernehmen, wie z.B. das Aufräumen seines Spielzeuges. Insbesondere Hunde, die gerne apportieren, werden diese kleinen Aufgaben lieben. Oder wer kennt das Problem nicht, dass man das Handy oder die Autoschlüssel wieder Mal verlegt hat? Prima - der Hund kann beim Suchen helfen....
Hunde brauchen - genau wie wir Menschen - sinnvolle, lösbare Aufgaben. Dies ist enorm wichtig für das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Und wenn diese dann noch den eigenen Potentialen entsprechen, ist es wie ein Jackpot für den Hund.
Nun komme ich aber noch mal kurz auf das Thema "vermenschlichung" zurück. Sobald Hunde so eng mit dem Menschen zusammenleben, ist es eine logische Konsequenz, dass die Beziehung intensiver wird. Der Hund kann Unterstützer und Helfer in vielen Situationen sein. Er hilft nicht nur dabei, dass wir uns mehr bewegen, sondern kann auch zu mehr Kontakten verhelfen. Schwierig wird es, wenn der Mensch den Hund (oder auch ein anderes Tier) bevorzugt und sich immer mehr von anderen Menschen abwendet. Fragwürdig ist auch, ob der Hund mit am Tisch sitzen muss und mit der Gabel gefüttert werden muss.
Ich denke, dass es verschiedenste Arten von vermenschlichung beim Hund gibt. Und es gibt auch ganz viele Abstufungeen dazwsichen. Im Prinzip muss jeder selbst wissen, was der Hund in seinem zu hause darf. Wenn der Hund allerdings als Ersatz für einen Menschen angesehen wird ist es sehr bedenklich. Auch wenn der Hund viele seiner natürlichen Verhaltensweisen abgesprochen bekommt, ist es nicht in Ordnung. Der Hund kann selber laufen (zumindest im Normalfall), er kann selbstständig essen. Er muss weder gefüttert, noch den ganzen Tag in Handtaschen getragen werden. Und bevor man sich einen Hund anschafft, sollte man sich auch genauestens Fragen, ob man den Bedürfnissen des Hundes auch gerecht werden kann.
Es gibt mittlerweile so viel Zubehör für den Hund. Steckt nur Kommerz dahinter oder dient es wirklich der gesunderhaltung des Hundes?
Auch wenn der Vergleich etwas hinkt aber stell dir einmal vor, du willst dir einen neuen Fernseher kaufen. Suchst du ihn nur aus, weil du ihn schick findest und weil dein bester Freund auch so einen hat? Egal, ob dein Wohnzimmer viel größer ist und der Fernseher deines Freundes eigentlich viel zu klein ist? Garantiert nicht. Bestimmt würdest du dich zuvor informieren, welche Möglichkeiten es gibt. Dann überlegst du vielleicht noch, welche Größe für dein Wohnzimmer angemessen ist, wie deine Gewohnheiten sind und die technischen Voraussetzungen, etc. Es werden Rezessionen im Internet gelesen, Fachhändler befragt und es vergehen nicht selten Wochen bis Monate bis man sich endgültig entscheidet. Beim Hund ist es häufig anders. Der guckt einfach so süß.
Die wenigsten Menschen fragen Fachleute um Rat. Es wird die Rassebeschreibung im Internet gelesen, die häufig die Eigenschaften etwas verschönt. Und dann hat der Nachbar auch so einen - und der ist ja so toll. .....
Aber leider ist der Hund keine Maschine. Das bedeutet - auch wenn du die gleiche Rasse kauft wird es hundertprozenzig so sein, dass der Hund andere Eigenschaften hat, als der des Nachbars oder der besten Freundin. Einfach weil der Hund ein Lebewesen ist und keiner wie der andere ist. Auch wenn die grundlegende Persönlichhkeit mit der Geburt festgelegt ist, so verändert sich der Hund mit den Erfahrungen die er macht, mit den Menschen mit denen er zusammenlebt und allem anderen, was dem Hund umgibt. Sogar dem Futter, der angeboteten Bewegung - einfach alles. Daher wirst du immer einen einzigartigen Hund bekommen.

Es ist natürlich wünschenswert, wenn der Hund sein leben lang bei seinem Besitzer bleibt. Doch leider stellt man manchmal auch einfach fest, dass es nicht passt. Dies kann auch passieren, wenn man sich für die falsche Rasse entschieden hat und andere Vorstellungen hatte oder die Lebensumstände nicht so sind um diesem Hund gerecht zu werden. Selbstverständlich ist für mich immer der erste Schritt, alles Mögliche zu unternehmen, damit das Zusammenleben doch funktionieren kann. Sollten aber alle Bemühungen nicht fruchten, kann es manchmal notwendig sein, ein zuhause für den Hund zu finden, in dem seinen Bedürfnissen gerecht werden kann. Ich finde, dass dies nicht verwerflich ist, sondern von sehr großer Stärke deutet. Sich einen Fehler einzugestehen und zum Wohle des Hundes zu handeln verdient großen Respekt. Und Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen.
Dennoch sollte die Frage der Hunderasse natürlich im Vorhinein gut überlegt sein. Denn keiner möchte gerne einen Freund verlieren. Und vielleicht hilft es ja auch in einigen Situationen einfach mal kurz inne zu halten und sich fragen, ob meine Erwartungen / Handlungen dem Hund dienen oder mehr mir selber? Oder vielleicht sich einfach mal zu fragen, was der Hund normalerweise tun würde? Und vielleicht hilft es dabei, neue Ideen zu entwickeln, wie ich dem Hund eine gute Alternative bieten kann - die auch für mich selbst bewältigbar ist.
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