"Corona Hunde" oder alles wie immer?
- patriciahummen
- 27. März 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Mai 2021
Uns alle beschäftigt und beeinflusst Corona seit über einem Jahr - mehr als uns lieb ist. Es gibt viele Einschränkungen, aber auch einige Chancen. Ich bin gespannt, wo die Reise hingeht.
Und eigentlich sollte mich der Umstand, dass sich in dieser außergewöhnlichen Zeit immer mehr Menschen einem Hund ein neues Zuhause schenken, freuen. Denn es steigt überdurchschnittlich die Anzahl der potentiellen Kundschaft.
Allerdings blicke ich mit etwas Sorge auf diesen Umstand. Denn auch in den Medien konnte man verfolgen, dass Hundeschulen kein Welpentraining oder sonst irgendein Training anbieten können. Was wird nun aber aus diesen Hunden?
Hunde sind - genauso wie wir Menschen - soziale Lebewesen. Sie benötigen den Kontakt zu Artgenossen. Einerseits um aus der Gemeinschaft zu lernen, aber auch um ihre eigenen Sprachen sprechen zu können. Aber auch die Menschen benötigen gelegentlich fachkundige Unterstützung bei der Erziehung des Hundes.
Natürlich gibt es eine Vielzahl von Büchern, Blogs und Videos, die einem bei der Hundeerziehung unterstützen können. Das ist in gewissem Umfang auch durchaus denkbar. Aber beim Thema Sozialisierung und wertvolle, gewinnbringende Kontakte zu anderen Hunden wird es schon sehr schwierig.
Leider begegnen mir jetzt schon immer mehr Neu-Hundebesitzer, die zusehends überfordert sind mit dem Hund. Angefangen beim Equipment, wo sich mir schon vom zusehen, die Zehennägel aufrollen. Wenn zum Beispiel die Schlepp- oder Flexileine am viel zu dünnen Halsband befestigt wird. Jeden Tag werden neue Trainingsmethoden ausprobiert - vom Leinenruck über Wasserspritzflasche bist hin zu Maßregelungen. Es ist immer wieder faszinierend, auf was für Ideen der Mensch kommt. Mit dem Resultat, dass der Hund immer noch wie ein Ochse an der Leine zieht, nach und nach eine Leinenaggression entwickelt und der Mensch einfach nicht die vielen guten Dinge sieht, die der Hund zeigt.
Denn auch das gehört für mich zur guten Ausbildung eines Hundes dazu: gutes, richtig angewendetes Equipment, die Befindlichkeiten meines Hundes erkennen und auch verstehen, dass nicht jede Trainingsmethode für jeden Hund und jeden Menschen gleichermaßen geeignet ist.
Für viele Hundebesitzer ist es mitunter auch schwierig, gute von schlechten Hundekontakten zu unterscheiden. Nein, mein Hund muss nicht mit jedem Hund Kontakt aufnehmen. Und ja, ich darf es entscheiden, welchen Kontakt ich wann und wie zulassen möchte. Leider herrscht immer noch die Meinung, dass nur Hunde, die ohne Leine laufen dürfen, glücklich sind. Und so wird ohne Rücksicht auf Verlust, sofort jeder Hund außerhalb des Wohngebietes von der Leine gelassen. Denn sie regeln das schon unter sich. Ja, das tun sich auch. Aber ist die Frage zu welchem Preis. Denn innerhalb eines Rudels ist es immer noch so, dass der Ranghöchste zunächst die "Eindringlinge" abcheckt und ggf. die Angelegenheit klärt. Die anderen Rudelmitglieder haben zunächst wenig damit zu tun und können sich auf das souveräne Verhalten des Chefs verlassen. Soweit so gut. Was passiert aber nun mit dem Vertrauen meines Hundes, wenn ich zuhause der Chef sein will und meinen Hund dann aber bei der nächsten Gelegenheit bei einer Hundebegegnung ins offene Messer laufen lasse.... Richtig - das ist richtig mies und auch noch hinterhältig. Also lernt der Hund- dass der sich nicht auf uns verlassen kann. Dies wiederum kann eine Menge weiterer Missverständnisse im Zusammenleben zur Folge haben. Und das nur, weil der Hund mit einem andern Hund spielen musste.
Ganz ehrlich - ich mag auch nicht jeden Menschen, genauso wie nicht jeder mich mag. Das ist völlig ok. Aber dennoch kann ich mich diesen Menschen relativ neutral gegenüber verhalten, ohne ihnen direkt eins überzubraten. Mein Hund muss auch nicht jeden Hund mögen. Aber auch er sollte sich in solchen Situationen neutral verhalten. Und das gehört für mich genauso zur Sozialisierung wie Sitz und Platz.
Aber bei all diesen Punkten ist es nicht ausreichend, sie in einem Buch zu lesen oder sie im Video gesehen zu haben. Ich benötige dafür reale, kontrollierte Situationen in einem sicheren Setting, um dem Mensch und Hund Sicherheit und Routine zu geben. Demnach fehlt nicht nur dem Hund der nötige Input, sondern auch dem dazugehörigen Menschen. Denn auch sie benötigen in nicht Lehrbuch-artigen-Situationen durchaus noch Unterstützung.
In dieser einzigartigen Zeit, haben es viele Hundetrainer*innen geschafft kreativ zu sein und alternative Methoden zu entwickeln, die es dem Menschen mit dem Hund in gewissen Maßen ermöglichen, individuelle Trainingsmethoden umzusetzen. Meine Bewunderung dafür, dass es trotz scheinbar ausweglosen Situationen immer wieder neue Wege auftun. Und das sind die Chancen, von denen ich eingangs geschrieben habe. Denn manchmal muss man dazu gezwungen werden neue Wege auszuprobieren, um wieder auf den richtigen Weg zu gelangen. Und es ist ein Zeichen von Stärke auch mal Unterstützung anzunehmen.

Ich hoffe so sehr, dass diese Settings bald wieder möglich sind und Mensch und Hund viele gute und schöne gemeinsame Erfahrungen sammeln können.
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